Ein Nationalsymbol, das im Ausland liegt
Der Berg Ararat ist das Nationalsymbol der Armenier. Es gibt nur ein Problem: Er liegt nicht im eigenen Land, sondern in der Türkei. Und es gibt noch mehr Skurriles aus Armenien zu berichten.
Das Land
Es läuft derzeit gut für Armenien. Denn mit Österreich, Schweiz, Schweden, Argentinien, Chile, Belgien, Frankreich und Deutschland stieg die Zahl der Länder, die die armenischen Toten von 1915 bis 1917 als Opfer eines Völkermordes bewerten, seit der Jahrtausendwende auf über 20.
Für Genugtuung in Armenien sorgt auch der US-amerikanische Film „The Promise“, der den Genozid thematisiert. Das Drama hatte 2016 auf dem Filmfestival von Toronto Weltpremiere und soll 2017 in die Kinos kommen.
In den 1990er-Jahren war Armenien fast nur wegen des Bergkarabach-Konflikts in den Medien. Inzwischen macht das kleine kaukasische Land auch als exotisches Reiseziel Schlagzeilen.
Die 1700 Jahre alte christliche Kulturlandschaft, die von bis zu 4000 Meter hohen Bergen gerahmt wird, fasziniert Studienreisende, Bergsteiger und Wintersportler. Tsakhkadzor ist das größte Skigebiet mit 27 Pistenkilometern.
Die Klosterinsel
Der klimatisch angenehmste Ort Armeniens mit der prächtigsten Klosteranlage und der wohl wertvollsten Handschriftensammlung liegt weit außerhalb der eigentlichen Landesgrenzen – in der Lagune von Venedig: Es ist die kleine Insel San Lazzaro degli Armeni.
1717 hatte der Doge dem armenischen Mönch Mechitar von Sebasteia das Eiland „für jetzt und alle Zeit“ geschenkt. Für die Einreise in die Exklave, die regelmäßig von Vaporetti der Linie 20 angefahren wird, reicht eine gültige Fahrkarte.
Das Radio
Gibt es Radio Eriwan tatsächlich? Im Prinzip schon, nur es nennt sich jetzt Radio Erdogan. Das ist freilich ein Witz, so wie folgender: Stimmt es, dass Erdogan alle Witze sammelt, die über ihn erzählt werden? Im Prinzip ja. Aber er sammelt auch alle Leute, die die Witze erzählen. Oder wie dieser: Was ist Chaos? Fragen zur Erdogan-Politik werden bei Radio Erdogan nicht beantwortet.
Das sind drei Beispiele von Radio-Erdogan-Witzen, die auf Social-Media-Kanälen kursieren und die nach dem gleichen Muster gestrickt sind wie einst die berühmten antikommunistischen Radio-Eriwan-Witze. Zu Sowjetzeiten waren viele Redakteure des gleichnamigen Radiosenders in Armeniens Hauptstadt stolz, irrtümlich für die Verfasser der Radio-Eriwan-Witze gehalten zu werden.
Heute sind sie froh, wenn man sie nicht mit Radio-Erdogan-Witzen in Zusammenhang bringt. Denn der türkische Präsident versteht keinen Spaß.
Der heilige Berg Ararat
Acht der elf Millionen Armenier leben verstreut in aller Welt, darunter Charles Aznavour, Cher, André Agassi, Garri Kasparow und Arthur Abraham. Ganz gleich ob prominent oder nicht: Quasi jeder Diaspora-Armenier hat ein Bild des Ararats im Haus.
Der Berg, an dem die Arche Noah nach der Flut gestrandet sein soll, ist ihr Nationalsymbol, das allerdings jenseits der Grenze in der Türkei liegt. Von armenischer Seite lässt sich der Berg, den einst die Osmanen ihrem Reich einverleibten, deshalb nicht besteigen.
Ankara zürnt, weil Armenien den „türkischen“ Ararat im Wappen führt. Ein Vorwurf, der schon zu Sowjetzeiten bestand, woraufhin Moskau damals konterte, die türkische Flagge zeige ja auch ein Stück des Mondes.
Der Cognac
Armenischer Weinbrand kann es mit bestem französischen Cognac aufnehmen. Behaupten die Armenier. Unstrittig ist, dass die Topmarke Ararat als teuerster Brandy in den Annalen von Sotheby’s steht: 2015 erbrachte die Versteigerung einer Flasche aus Churchills Nachlass 80.000 Pfund im Londoner Auktionshaus.
Der britische Premier hatte den Schnaps 1945 in Jalta kennen- und schätzen gelernt. Daraufhin ließ Stalin Churchill jährlich 144 Flaschen schicken – als persönliches Präsent. 1953 starb der russische Diktator. Der kostenlose Ararat für Churchill floss indes versehentlich noch zwölf Jahre weiter.
Das Zitat
„Lasst uns heute alle zusammenstehen und der 1,5 Mio. Menschen, die im Völkermord an den Armeniern massakriert wurden, gedenken“.
Kim Kardashian (geb. 1980) postete diesen Satz 2012. Drei Jahre später fuhr sie nach Eriwan, um an den Trauerfeierlichkeiten zum 100. Jahrestag des Genozids an den Armeniern teilzunehmen. Die amerikanische Stil-Ikone stammt väterlicherseits von Armeniern ab und nutzt ihre große Medienpräsenz, um jeweils am 24. April an das Massaker zu erinnern.
An jenem Tag des Jahres 1915 hatten im Osmanischen Reich massive Attacken gegen die im Land lebenden Christen begonnen. Den Verhaftungen, Deportationen und gezielten Tötungen fielen Hunderttausende Armenier, Aramäer und Griechen zum Opfer. Die türkische Regierung wehrt sich vehement gegen den Begriff Völkermord und schreibt die vielen Toten Überfällen, Hunger und Seuchen zu sowie den Kampfhandlungen während des Ersten Weltkriegs.
Die Zahl
5750 Meter – diese Distanz zwischen dem Ort Halidsor und dem Kloster Tatev im Südosten Armeniens können Touristen bequem per Gondel überwinden und zugleich einen persönlichen Rekord aufstellen. Denn die im Oktober 2010 eröffnete Pendelbahn gilt als längste der Welt.
Die Bewohner der Dörfer, die nahe der Berg- und Talstationen liegen, dürfen einmal pro Tag kostenlos mit der Bahn fahren. Alle anderen, die das zum Welterbe zählende Klosterensemble in elf Minuten „anfliegen“ wollen, müssen zahlen.