Josef Watzl in Armenien – Ein Insider mit Historie
6.200 Jahre sind kein Pappenstiel. Dennoch sind die Weine Armeniens, trotz der Jahrtausende alten Weingeschichte des Landes, hierzulande selbst unter Kennern noch ein Geheimtipp. Die familiengeführte Armenia Wine Company und ihr deutscher Produktionsdirektor Josef Watzl wollen das nun ändern. Zu recht.
Die Bedingungen für den Weinanbau sind ausgezeichnet: Auf kleinster Fläche besticht Armenien mit einer Vielfalt unterschiedlicher geologischer und meteorologischer Besonderheiten. Diese Mikroklimas liefern die Grundlage, nahezu alle Weintypen erzeugen zu können. Eine schier unfassbare Spielwiese für erfahrene Weinbauern und Weinmacher, die hier ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen können.
Sonne satt, dazu ein trockenes Klima, daher kaum Krankheiten in den Weinbergen – und „dank sowjetischer Fokussierung auf die Landwirtschaft effektive Bewässerungsmöglichkeiten, die eine spannende Grundlage liefen, eine nachhaltige und qualitativ hervorragende Weinwirtschaft aufzubauen“, weiss Experte Josef Watzl.
Der Produktionsdirektor der Armenia Wine Company kennt das Weinland Armenien in- und auswendig, ist fasziniert von seinen Möglichkeiten – und liebt das Spiel der unterschiedlichen Stilistiken und Weinmomente, die ihm das sonnenverwöhnte, hocharomatische Traubenmaterial bietet.
Sein umfangreiches Aufgabengebiet reicht hier von der Traubenerzeugung über die Wein-, Sekt und sogar Brandy-Herstellung bis hin zur Marktanalyse. Das Ziel: „Ich möchte nachhaltig höchste Weinqualitäten erzeugen. Weine, die einfach Spass machen!“ … Und ganz nebenbei: „Armeniens Weinpotential in die Welt hinaus tragen.“
Herr Watzl, die Wurzeln der Weingeschichte Armeniens blicken auf 6.200 Jahre zurück. Wie kann es da sein, dass Weine selbst als ein gutgehütetes Geheimnis auf dem europäischen Weinmarkt sind?
6.200 Jahre hören sich beeindruckend an. Aber 30 Jahre konsequente Arbeit nach dem Weinskandal in Österreich, 200 Jahre Weinlagenklassifizierung in Bordeaux, 20 Jahre Konzentrierung in Neuseeland auf Profilweine waren durchaus effektiver, als diese nackte Zahl. 70 Jahre Sowjetkommunismus waren nicht dienlich für die Entwicklung der armenischen Weinkultur. Der sowjetische Weindurst war so gross, dass die armenische Produktion glatt aufgesogen wurde.
Armenien steht vor einem historischen Neubeginn mit allen Chancen und Risiken. Es könnte viel erreicht werden. In kürzester Zeit. Es besteht aber eben auch die Gefahr, dass das nicht vorhandene Image in ein negatives umgewandelt wird. Es benötigt Feingefühl. Ein armenisches Profil muss erst entwickelt werden. Das bedeutet viel Arbeit und Können. Der internationale Weinmarkt reagiert schnell, verzeiht aber keine Fehler.
Sie werden selbst von einen über 30-jährigen internationalen Erfahrungsschatz in der Branche getragen. Haben von Äthiopien über Tansania, Ungarn, Bolivien bis eben nun Armenien gearbeitet. Wie versuchen Sie mit Ihrem Können und Wissen, Fehler zu vermeiden?
Durch detailliertes Studieren des Terroirs, unserer Möglichkeiten und des Marktpotentials, um die Produktion der Armenia Wine Company konsequent darauf auszurichten.
Erzählen Sie uns bitte etwas über die Armenia Wine Company.
An der Spitze des Unternehmens stehen die beiden Familien Mkrchtyan, die absolute Quereinsteiger sind, aber das aus Passion. Auf Auslandsreisen haben Sie früh die wirtschaftliche, kulturelle und landschaftsbildende Bedeutung von Weinbau erkannt und beschlossen hierin zu investieren. Dabei haben sie ganz professionell einen Rahmen festgelegt und sich internationale Expertise eingekauft.
Die entstandene Firma ist das Ergebnis einer festen Vision und einer schon fast deutsch anmutenden Hartnäckigkeit. Armenia Wine ist Marktführer in Armenien, ein grosser Lieferant in Russland und bereit den internationalen Markt zu überraschen – und das mit einem klaren Profil der önologischen Möglichkeiten, die dieses wunderschönen Land ermöglicht.
Die Weinberge der Company liegen in drei Regionen.
Ja, wir hegen und pflegen Weinberge in Aragtsotn, Armavir und Vayotsdzor – das sind Armeniens bekannteste Weinregionen. An ihnen lässt sich wunderschön die Vielseitigkeit des Weinlandes ablesen.
Armavir beispielsweise liegt auf eine Höhe zwischen 800 und 900 Metern. Die Böden sind durch Verwitterungen, Sedimenten, eiszeitlichen Moränen geprägt und tiefgründig. Diese Gegend ist gut geeignet, kräftige, charaktervolle Rotweine zu erzeugen.
Elegante Weissweine hingegen und auch leichtere Rotweine bringt Aragatsotn hervor. Auf einer Höhe bis zu 1.200 Metern findet man Basalt, Tuff und Kalkstein.
Vayotsdzor liegt gut 150 km von der Kellerei entfernt. Kalkige, skelettreiche Böden, Sonne, grosse Temperaturspannen zwischen Tag und Nacht. Traumhaft. Dort ist die Heimat der Rebsorte Areni, die sehr viel Spass machen kann, wenn man ein Fan von Spätburgunder ist. Dies könnte der Bruder, oder treffender gesagt, die launische Schwester des Pinots sein. Unglaublich spannend.
Ich arbeite in Weinbergen von 1.200 bis 1.800 m ü NN.. Ich stelle mir immer vor, was hier mit Riesling angestellt werden könnte.
Sie haben eben Areni erwähnt. Welche autochthonen Rebsorten verleihen den Weinen Armeniens eine regionale Eigenständigkeit?
Wir arbeiten hauptsächlich mit Areni, Kangun und Rkatsiteli. Areni ist sehr vielfältig und weisst viele Mutationen auf. Da steckt noch viel Selektionsarbeit drin. Kangun ist eine sowjetische Kreuzung, die speziell für die Brandy-Bereitung gezüchtet wurde. Rkatsiteli ist für mich die kaukasische Weissweinsorte mit dem höchsten Potential. Ob sie nun georgisch oder armenisch ist, ist mir relativ gleich. Es ist jedenfalls die beste in der Region. Damit kann man tolle Sektgrundweine, rassige Konsumweine, aber auch hochwertigste Premiumkisten herstellen.
Wie arbeiten Sie im Weinberg?
Ich versuche die geologischen, kleinklimatischen und strukturellen Eigenschaften des Weinbergs zu verstehen und entwickle eine angepasste Strategie, um Boden und Pflanze in weitgehend ideale Bedingungen zu versetzen und somit die gewünschte Traubenqualität zu erzeugen, aus der ich genau den Wein erzeugen kann, den wir für unsere Zwecke als ideal erachten.
Und wie transportieren Sie diese Qualität dann in die Flasche?
Ich analysiere die angelieferte Traube hinsichtlich Textur, Geschmack und Aroma und entwickle dann den Vinifizierungsplan, um das Optimum an erwünschten Inhaltsstoffen aus der Beere herauszulösen und das unerwünschte drin zu lassen. Sehr individuell. Die Armenia Wine Company hat nahezu alle notwendigen Technologien hierzu. Man muss sie nur richtig anwenden.
Welcher Wein macht all diese Mühen für Sie am besten erschmeckbar?
Yerewan white dry. Dieser Wein zeigt das Potential der armenischen Weissweine. Das hat man vor zwei Jahren noch nicht geahnt. Vormittags. Nachmittags finde ich Takar Reserve sehr spannend. Ein Wein mit Ecken und Kanten. Da steckt was drin.
Was fasziniert Sie an der Arbeit mit Wein?
Der ganzheitliche Ansatz. Ich komme aus den 80er Jahren, als die europäische Landwirtschaft mit Fleisch- und Butterbergen, Milch- und Weinseen zu kämpfen hatte, die sie mit einer unnatürlichen, industriellen Überproduktion erzeugt haben und anschliessend planmässig vernichtet wurden.
Da war es erfrischend, weinbauliche Strukturen kennenzulernen, wo in der Familie nachhaltig Trauben erzeugt, traditionell und respektvoll geerntet, schonend verarbeitet und zu marktgerechten Weinen wurden, diese wiederum durch die ganze Familie mit Herzblut vermarktet. Ideal und einfach zu transferieren.
Rot, weiss, rosé oder prickelnd – welcher Weintyp ist Ihrer?
Das kommt immer auf die Tageszeit, die Tagesform, das Menü und die Begleitung an.
Was macht einen Wein erinnerungswürdig?
Charakter, Profil, Ecken und Kanten.
Mit wem würden Sie gerne mal einen richtig gute Flasche Wein trinken?
Mit Keith Richards, dem Gitarristen der Rolling Stones!
Haben Sie ein Wein-Motto?
Ein ganz simples: Keine schlechten Weine, bitte!
Weitere Informationen unter: www.armeniawine.am
http://magazin.wein.com/artikel/josef-watzl-in-armenien-ein-insider-mit-historie/