Lockruf in den famosen Südkaukasus
Seit 1991 ist das dünn besiedelte Bergland unabhängig. Touristen schätzen die famose Landschaft, die Vielfalt an christlicher Kultur und Erewan.
Armenien, und besonders Erewan als Finanz- und Wissenschaftsplatz, ist seit gut 25 Jahren erfolgreich dabei, das Dunkle, ja Mystische der kommunistischen UdSSR-Ära, abzuschütteln. Westlicher Lebensstil und kapitalistischer Wirtschaftssinn bestimmen den Rhythmus auf 1100 m Höhe. Politischer Wind aus Moskau, die seltsamen Blüten des Oligarchentums und von den Älteren gepflegte Sowjet-Nostalgie bremsen zwar die Fahrt in die Marktwirtschaft, Touristen spüren davon aber nichts. Auch nichts davon, dass Armenien die Grenzen zu den Nachbarn Türkei (Völkermord an Armeniern im 1. Weltkrieg) und Aserbaidschan (Streit um Bergkarabach) dicht gemacht hat.
Die vermeintliche Isolation gleichen die Armenier mit ihrer Herzlichkeit und Weltoffenheit doppelt aus. Dazu liefern idyllische Landschaften mit kargen Basalthügeln, Schluchten, Schafherden, einsamen Dörfern, Weingärten und kulturhistorisch wertvollen Stätten die Ingredienzien für eine erlebnisreiche Tour. Vorurteile daheim lassen, Koffer mit Neugier und Vorfreude stopfen – so ist der Besucher bestens eingestimmt auf die Magie rund um den Ararat.
Im Frühjahr, zur besten Reisezeit, blüht Erewan so richtig auf. Nette Cafés und Bars mit komfortablen Gartenmöbeln, traditionelle Restaurant-stuben und freundliche Kellner prägen das Bild in der Fußgängerzone. Der einstige Leninplatz im Zentrum, jetzt (Tummel-) Platz der Republik, gilt als Symbol der Wandlung von der sprichwörtlichen armenischen Tristesse hin zu neuem, buntem Selbstbewusstsein.
Gut und sicher
Reges Treiben, nächtliche Wasserlichtspiele, internationale Hotels, klappernde High Heels, fein gestylte Damen, Rockmusik, Kinos, Spielsalons. Und entspannte Fröhlichkeit bis spät in die Nacht hinein. Die Armenier, in ihrer abwechslungsreichen und langen Geschichte von Feinden oft verfolgt, überrollt, einverleibt, zerstört und auch gedemütigt, verstehen es heute, gut zu leben. Und sich dabei sicher zu fühlen. Kleinkriminalität ist in Erewan kein Thema.
Durch die Stadtviertel mit ihren unterschiedlichen Baustilen (da stalinistische Blöcke, dort Reste von balkanesisch-orientalischen Häuserzeilen, dazwischen schmucklose Fassaden, Beton- und Glaskäfige, bunte Märkte) zu streifen, erfordert ... Kondition – Höhenunterschiede und Kopfsteipflaster müssen bewältigt werden – und ... Zeit. Wer etwa einmal im "Matenadaran"-Archiv fündig geworden ist, der kann sich der Faszination der Sammlung jahrhundertealter Handschriften und Bilder (17.000 Exponate) nur schwer entziehen. Eine exklusive Galerie von Weltruf. Mit plakativen Mustern an armenischen Buchstaben und aus frühchristlichen Aufzeichnungen.
Ein Fixbegriff aus dem Reich der Polit-Ironie in Osteuropa und der UdSSR war Radio Erewan. Ein Sender, den es als solchen nie gegeben hat, der aber mit seinen legendären Witzen "Anfrage an Radio Erewan" Kultstatus erreicht hat.
Aroma des Ararat
Weltstatus der anderen Art genießt der armenische "Kognak" , z. B. jener der Destillerie "Ararat" am Stadtrand. Führung mit flotten Geschichten (so soll Stalin bei der Jalta-Konferenz seinen westlichen Vertragspartnern vor der Neuaufteilung Europas sehr kräftig eingeschenkt haben) und Verkostung mit edler Bitterschokolade machen den Besuch unvergesslich. Wer vielleicht das unverwechselbare Aroma und das Ölige eines 30-Jährigen begehrt, muss schon bereit sein für einen tiefen Griff in die Tasche.
Am Wochenende bevölkert Erewan die Halbinsel am nahen Sewansee, dem "Meer der Armenier" in fast 2000 m Höhe. Perfekte Oase für Erholung, Entschleunigung und fein leben. Den See nicht gesehen zu haben, heißt, nicht in Armenien gewesen zu sein. Sagt der Volksmund.
Und wer will sich am Ende schon eingestehen, nicht dort gewesen zu sein, wenn er doch dort war?